Nr. 60 Psychologie – Praktische
Umsetzung (II)
O Schon im Training Probleme
Dann handelt es sich gewöhnlich darum, dass Sie mit irgend
einem Teil des Stoßes bzw. der Stoß-Vorbereitung noch
nicht Ihren Frieden gemacht haben: Was ist mit dem Zielen, der
Geradheit und Effektivität des Stoßes, den Lauflinien?
Sind Ihre Vor-schwinger nach Zahl und Art sinnvoll? Müssen
Sie noch technische Mängel bei bestimmten, schwierigen Dessins
beheben? Ist Ihre Dessinwahl stets richtig? Etc. etc.
Diese Probleme lassen sich, verständlicherweise, auch nur
im Alleintraining lösen, gottseidank aber
- bei genügend Ausdauer und Geduld - mit sehr guter Aussicht
auf Erfolg. Lassen Sie sich Zeit, um in Ruhe Verschiedenes aus-zuprobieren,
bis Sie diejenige Methode gefunden haben, bei der Sie sich am
wohlsten fühlen und welche die besten und beständigsten
Ergebnisse bringt.
Hier, beim Alleinspiel, können Sie austesten, ob Sie sich
überall auf dem Billard und in allen Situationen "zu
Hause" fühlen oder ob - hinsichtlich Dessin-Vielfalt
und Auswahl, Verteidigung, Positionsspiel, Stoßvarianten,
Zuverlässigkeit etc. - noch mehr oder weniger große
Lücken zu füllen sind.
Wenn Sie sich letztendlich das Gefühl ervorben haben:
"Ich weiß, wie ich mich in jeder denkbaren Situation
zu verhalten habe", ist das auch ein großer psychologischer
Vorteil für Ihre Seelenruhe beim Turnier.
O Gelegentliches Versagen im Turnier
oder bereits in "Freundschaftspartien" mit unangenehmen
Partnern. Hier kann ich Sie ziemlich beruhigen und Abhilfe - im
Rahmen des Möglichen - versprechen.
Dazu müssen Sie allerdings das Folgende geistig nach-vollziehen,
akzeptieren und so sehr verinnerlichen, dass Sie in Zukunft kein
Problem mehr damit haben.
Letztlich geht es in den meisten Fällen um unnötige
und schädliche Emotionen, die zwar menschlich absolut
verständlich sind, die aber gleichzeitig leider die Haupt-ursache
für Ihr Versagen am Tisch darstellen.
Packen wir den Stier sofort bei den Hörnern:
1. Wann und wie sollen Sie "mental" tätig werden?
a) Lesen, darüber nachdenken, es innerlich
voll bejahen und für Ihr zukünftiges Verhalten als Richtschnur
festlegen - all das erledigen Sie gemütlich zu Hause.
Danach sollte der Fall ein für alle Mal gegessen sein. Falls
Sie – wie nicht anders zu erwaren – in der ersten
Zeit, partienah, doch rückfällig werden: "Was
für ein Pech, warum nur?, womit habe ich das verdient, wie
kann das bloß?" wiederholen Sie die gleiche Prozedur
zu Hause – so oft, bis Sie sich da-ran "abgearbeitet"
und das ach so erwünschte Stadium der Gelassenheit erreicht
haben.
Ein Tipp am Rande: Beim Lesen beschränken
Sie sich bitte auf diejenigen Teile, welche speziell für
Sie von Bedeutung sind – stopfen Sie sich bloß nicht
den Kopf voll mit Dingen, die für Sie
unproblematisch sind!
b) In der nächsten Stufe werden Sie sich in Partien
mit Trainingspartnern des öfteren daraufhin überprüfen,
ob Sie doch wieder von solchen negativen Gedanken und Emotionen
heimgesucht werden.
Wenn ja, pfeifen Sie sich sozusagen sofort zurück, machen
sich klar, wie unsinnig all das ist, entspannen sich und konzentrieren
sich nur auf Ihr Spiel.
c) Wenn im Wettkampf Probleme auftauchen, gilt was auf
der vorigen Seite gesagt wurde:
Trotzdem wohl fühlen – RELAX, FEEL COMFORTABLE,
HAVE FUN.
Ob sie dabei versuchen, Ihre negativen Empfindungen zu negieren,
einfach beiseite zu schieben, nicht hinzuschauen, an ganz was
anderes zu denken – Oder ob sie genau umgekehrt vorgehen,
dem "Feind ins Auge blicken", sich dem Problem stellen
und sagen:
"Ja sicher ist das Scheiße, aber was soll's, ich kann
damit leben" – das ist primär eine Typfrage. Probieren
Sie aus, womit Sie persönlich besser klar kommen. Absolute
Patentrezepte sind beide Einstellungen nicht: Das "Wegschieben"
kann gerade deshalb zu Verkrampfungen führen, weil sich das
Unterbewusstsein doch nicht betrügen lässt – Das
"Ich stelle mich" kann bewirken, dass Sie dem Problem
von vornherein viel zu viel Aufmerksamkeit schenken. Eine gute
Art damit umzugehen, kann auch darin bestehen, sich selbst sozusagen
als unbeteiligten Zuschauer zu sehen, um die eigene zu starke
emotionale Verwicklung zu lösen.
d) Ansonsten aber sollten Sie zwischen Turnieren keinesfalls über
all dies nachdenken – auch nicht
mit anderen "Leidensgenossen" drüber sprechen.
Die ach so beliebten Gesprächsthemen: "Ich war so gut
in Fahrt, da hat mein Gegner 2 Füchse hintereinander gemacht
und dann noch .. usw. usw." sind für Sie tabu, so Leid
es mir tut. All das würde die ungesunden emotio-nalen Implikationen
verschlimmern, aus denen wir ja gerade heraus kommen wollen.
Paradigmatisch ist die Antwort von Ceulemans auf die insis-tierende
Frage eines Reporters, woran es denn nun gelegen habe, dass er
im langen Ablauf seiner 20 Weltmeisterschaften tat-sächlich
einmal ein Endspiel verlor: "Ach, heute lief es einfach nicht."
Mehr war ihm absolut nicht zu entlocken. Genau damit sollten wir
es dann auch bewenden lassen. Ich halte auch überhaupt nichts
davon, Statistiken über die eigenen Durchschnitte, schon
gar nicht in Privat-spielen, zu führen. Lediglich um sich
vor Augen zu führen, wie oft Sie tatsächlich beste Chancen
auslassen, wie oft Sie das falsche Dessin wählen, und um
ähnliche Einzelfragen zu klären, könnten Sie hier
und da einen Bekannten bitten, das während Ihrer Partie zu
notieren. Da gibt es dann so manche Überraschung.
Natürlich wird es immer wieder vorkommen, dass Sie während
einer schlecht laufenden Partie oder kurz danach solche bösen
Gedanken haben. Schieben Sie all dies Zeugs auf die Seite, weg
damit! Im schlimmsten Fall schließen Sie die Augen,
wenn der Gegner am Stoß ist, stellen sich vor, Sie hätten
Ferien und lägen auf einer schönen, grünen Wiese
ganz entspannt in der Sonne - Sie kehren erst wieder in die Realität
zurück, wenn Sie an den Tisch müssen. Nun aber zurück
zu den Dingen, um die es hier geht.
2. Das Auf und Ab im Verlauf einer Partie
ebenso der Wechsel zwischen guten und miserablen Turnieren, ist
das Selbstverständlichste von der Welt.
Gerade Billard ist dadurch charakterisiert, noch mehr als der
in dieser Hinsicht ganz ähnliche Golfsport. Die Gaußsche
Vertei-lungskurve ist sehr breit. Die Ausreißer nach oben
nimmt man zwar als eigenes Verdient hin, die schlechten Ergebnisse
dagegen hat scheint's jemand anderer gespielt.
Merke: Du bist nicht so gut wie Dein bestes
Ergebnis, aber auch bei weitem nicht so schlecht wie deine indiskutable
Leistung.
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