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Training
Nr. 78 Interviews mit Weltklasse-Spielern über Systeme
III
Schlussfolgerungen
Ich könnte mir denken, dass mancher von Ihnen beim sorgfältigen
Studium der Tabelle einige Überraschungen erlebt hat.
Ich möchte aber schon jetzt darauf hinweisen, dass die Umfrage-Ergebnisse
nicht repräsentativ genug sind. Die Situation könnte sich
bei anderen nationalen Verbänden bzw. Einzelpersonen u. U.
sehr verschieden darstellen.
Ich will auch gleich davor warnen, die Ergebnisse als un-mittelbare
Empfehlung für Spieler mit wesentlich geringerer Spielstärke
übernehmen zu wollen.
Auffällig ist zunächst, dass alle befragten Spieler davor
warnen, sich zu früh und zu eingehend mit Systemen zu beschäftigen.
Wichtig sei vor allem, das Karambolieren (Bälle machen)
rein aus dem Gefühl heraus zu entwickeln.
Ich will es einmal so illustrieren: Wenn Sie auf dem kleinen Tisch
(1.05 x 2.10) Dreiband spielen, werden Sie wohl kaum nach Systemen
spielen wollen, selbst wenn Sie damit gut vertraut sind. Das Spontangefühl
langt völlig aus, um alle Arten von langen Rundbällen,
gelängten und gedrückten Quarten, Umkehrern usw. mit sehr
hoher Erfolgsquote zu bewältigen. Genau das sollten Sie auch
auf dem Tuniertisch zu erreichen suchen – Sie müssen
sich auch da überall "zu Hause" fühlen.
Erst wenn Sie, nach vielen Jahren, zu der Überzeugung kommen,
dass Ihre Erfolgsquote bei bestimmten Dessins trotz allen Übens
im Vergleich mit anderen Spitzenspielern zu wünschen übrig
lässt, könnte ein Versuch mit Systemen angebracht sein.
Nur sind wir genau hier beim entscheidenden Punkt für die große
Masse der Amateurspieler, denn diese erreichen ja den z. B. von
Blomdahl mit 1.0 GD angegebenen Grenzwert nie. Sollten die also
von Systemen ganz die Finger lassen? Oder ist es nicht genau umgekehrt,
dass zumindest einige von ihnen durch "Berechnung statt Gefühl"
ihren Durchschnitt um einiges heben könnten. Ich persönlich
bin ziemlich sicher, dass jeder Spieler, der sagen wir mal seit
vielen Jahren einen GD von 0.55 hat und keinen Fort-schritt sieht,
bereit wäre, 5 oder auch 10 Systeme intensiv zu studieren und
zu praktizieren, wenn er seinen Durchschnitt damit um 2/10 auf 0.75
heben könnte - natürlich vorausgesetzt, dass ihm Systemberechnungen
nicht auf jeden Fall zuwider sind.
Nur um Dinge klarzustellen: Es geht hier nicht um Vorbänder
(das bringt nicht genug) sondern um Ball-2-Zuerst-Systeme!
Was die befragten europäischen Spieler angeht, so liegt die
Zahl der genannten Systeme erstaunlich niedrig, im Durchschnitt
bei drei. Von daher müsste man sich wirklich fragen,
was Dutzende – mit Abarten und Unter-varianten gar Hunderte
von Systemen – bringen sollen.
Zu diesem Thema habe ich mich bereits ausführlich im HdB II
geäußert. Allerdings traue ich den Umfragen, was die
Angabe von derart wenigen Systemen angeht, doch nicht so ganz. Ich
bin ziemlich sicher, dass die Topspieler wesentlich mehr Verlaufs-linien
verinnerlichen, selbst wenn sie ihnen nicht mehr als komplette Berechnungssysteme
bewusst sind.
Ich möchte meinen Ratschlag aus dem Handbuch wieder-holen:
Lieber weniger Systeme – diese aber genau.
Andererseits gibt es aber auch einige hervorragende Spieler,
die wesentlich mehr Systeme benutzen. Das düfte ein
weiterer Beweis dafür sein, dass man um solche Fragen keinen
Glaubenskrieg entfesseln sollte:
Chacun à son gout! – jeder, wie er
mag.
Ursprünglich waren Systeme nur für Vorbänder
gedacht und auch heute noch gibt es einige wenige Spieler, die sich
darauf beschränken.
Wenn Sie Bedenken haben, sich mit Systemen überhaupt zu beschäftigen,
weil Sie - vielleicht zu Recht - befürchten, Ihr normales Stoß-
und Liniengefühl zu verlieren: Mit dem Erlernen von Conti-Vorbändern
können Sie nicht viel falsch machen, im Gegenteil, Sie lernen
wertvolle Linienverläufe kennen und wenn Ihnen das System doch
nichts bringt, ist es kein Problem, wieder davon Abstand zu nehmen.
Die meisten Topspieler verwenden Systeme jedoch auch, allerdings
differenziert, für normale 'Ball-2-Zuerst'-Situationen.
Hier ist, im Vergleich zu früher, eine etwas überraschende
Entwicklungstendenz zu erkennen.
Voraussetzung ist, dass ein mehr oder weniger großer Abstand
von B 2 zur 1. Bande vorliegt und dass mit Laufeffet gespielt werden
kann. Handelt es sich um ungewöhnliche Winkel, muss also gelängt
oder gekürzt werden oder sind die Bandenreaktionen ungewöhnlich,
können Systeme lediglich einen groben Anhalt liefern, sofern
nicht überhaupt die Spieler in solchen Fällen ganz darauf
verzichten.
Über Ball- und Ball/Bande-Systeme
habe ich leider nur sehr wenig in Erfahrung bringen können.
In Europa schei-nen sie bei den Topstars kaum eine Rolle zu spielen.
Wenn ich persönlich schwächeren Spielern einen Rat geben
sollte, ob es sich lohnt, sich damit zu befassen, würde ich
sagen:
Bei gutem Talent und normaler Entwicklung dürfte das kaum angebracht
sein.
Wenn Sie mit Quer-(Schräg-)Pendlern nicht gut zurande kommen,
lohnt es sich, das Ball-Bande-System zu versuchen,
welches für das eigene Spontangefühl relativ ungefährlich
ist.
Ein Ball-System käme wohl nur für den
(traurigen) Fall in Betracht, dass Sie bereits mit normalen (kurzen
und/oder langen) Rundbällen ständig Probleme haben, wodurch
Sie dann allerdings Ihr noch vorhandenes normales Stoß- und
Ballgefühl weiter ruinieren würden. Können Sie allerdings
auf diese Weise Ihre Erfolgsquote um sagen wir mal 20% steigern:
Was soll's.
Persönlich hätte ich noch am ehesten Verständnis
dafür, wenn jemand solche Systeme einsetzt, um bei langen Rundbällen
und langen Tümmlern größere Sicherheit zu erlangen.
Nicht völlig ausschließen lässt sich auch ein Szenario,
dass eines Tages Spieler auftreten, die genau das machen und damit
die gesamte Szene dominieren.
Denken wir daran: Vieles ist Modesache und alle schielen auf die
Topleute, auch wenn für den einzelnen Spieler ein völlig
anderes Vorgehen geraten sein könnte. Nochmals: Sie müssen
herausfinden, was für Sie persönlich richtig ist.
Welche Systeme?
Ein Diamant- oder Punktsystem für Bälle mit regulärer
Bandenfolge (L - K - L - K oder L), zumeist ausgehend von den Hoppe/Conti-Berechnungen,
jedoch modernisiert und verfeinert, wird praktisch von allen genutzt.
Am zweithäufigsten wurden Plus-Systeme mit Laufeffet genannt
(Bandenfolge K - L - L).
Sodann Systeme für K - L - K, ohne Effet oder mit Lauf-effet.
Der ganze Rest verteilt sich ziemlich diffus und individuell, ist
also für Ihre persönliche Entscheidung nicht besonders
hilfreich.
Einfache und schnelle Methoden
Darauf wurde mehrfach hingewiesen. Sonst verlieren Sie Energie und
kommen aus dem Spielfluss.
Nur von daher lohnt es sich, nach neuen verbesserten Systemen Ausschau
zu halten, nicht aber um sich auch noch die 25. Methode reinzuziehen.
Für welche Situationen man überhaupt Systeme einsetzen
könnte, darüber besteht ziemliches Einverständnis,
z. Zt geht es mehr um Verfeinerung und Vereinfachung. Mit dem Begriff
'neues System' sollte man sparsam umgehen.
Der individuelle Spaßfaktor
Der eine nimmt Reißaus, wenn er nur was von Systemen hört,
der andere findet das ganz toll. Wenn Sie zur letzteren Gruppe gehören,
warum sollten Sie sich den Spaß nicht gönnen? Mit der
unglaublich großen Vielfalt von Dessins und Stoß-arten
ist es genau so: Das meiste davon kommt so selten vor, dass es sich
rein aus Nützlichkeitserwägungen heraus kaum lohnt –
aber es macht doch Freude, all dies kennen zu lernen.
Es geht, jedenfalls für uns Amateure, nicht nur ums Gewinnen.
Wenn wir an die vielen, vielen Stunden denken, die wir am Billardtisch
verbringen, sollten wir öfter das beherzigen, was vor allem
die Amerikaner – und zwar ganz generell im Sport – immer
wieder predigen:
'Feel good – have fun.'
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