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Training
Nr. 79 Neue Dreiband-Literatur
Mit Billard-Büchern ist das so eine Sache. Als ich, kurze Zeit
nach dem 2. Weltkrieg, von einem älteren Mitschüler zum
Billardspiel verführt wurde – sehr zum Mißvergnügen
meiner Eltern und der Schulleitung – fand man kaum jemand
unter den Billard-Enthusiasten, der solche Bücher besaß.
Am ehesten konnte man noch bei Akademikern fündig werden, die
aber damals im Billardsport dünn gesät waren. Die Zeiten,
als sich in den Häusern des gehobenen Bürgertums selbstverständlich
auch ein Billardzimmer befand, wohin sich die Herren nach dem Dinner
zurückzogen, waren schon lange vorbei. Inzwischen haben wir
die Bildungs-Explosion der fünfziger bis siebziger Jahre erlebt
und die Jugend hat gottseidank überhaupt keine Scheu mehr vor
allem Geschriebenen. Das Geld für empfehlenswerte Bücher
ist gut angelegt – wenn Sie nur 1 Unterrichtsstunde bei einem
Spitzenspieler buchen, werden Sie wohl den gleichen Betrag los wie
beim Kauf eines Sachbuchs. Leider sind die Auflagezahlen bei Karambol,
im Gegensatz zum Pool, nur relativ gering und deshalb die Preise
manchmal nicht ganz niedrig.
Frédéric Caudron ist der Verfasser des ersten zu besprechenden
Werkes (343 S., Format 24 cm x 16 cm – siehe
"Billard-Bücher", Tf. 1).
Hervorzuheben ist zunächst, dass es sich um ein besonders
schönes Buch handelt: Vierfarbdruck auf Kunstdruckpapier,
die blauen Tische und farbigen Kugeln anzusehen ist ein Genuss.
Das ist heutzutage bei kleinen Auflagen ganz außergewöhnlich
und recht-fertigt den relativ hohen Preis von 70,- Euro (incl. Versand)
zuzüglich 15,- Euro Kosten für die Postanweisung an Mr.
Caudron. Wenn Sie es besonders gut machen wollen, sollten Sie noch
einmal ca. 15,- Euro für einen festen, von Hand gebun-denen
Einband opfern, da sonst der dünne Umschlag-Karton und die
Seiten Gefahr laufen, verknickt zu werden, wenn Sie nicht sehr vorsichtig
mit dem Buch umgehen.
Kommen wir zum Inhalt. Von einem absoluten Weltstar erwartet man
natürlich Besonderes. Aber da sich das Buch an alle Spielstärken
richtet, folgt es zunächst dem üblichen Aufbau:
Besprechung der Grundlagen, Stoßausführung, physikalische
Prinzipien etc. – all das auf hohem Niveau, fundiert aber
auch nicht allzu ausführlich, mit speziellen Hinweisen für
Spitzenspieler. Insbesondere die Tatsache, dass diese ständig
auf neuen Tüchern und auf stets wechselnden Tischen spielen
müssen, wird immer wieder hervorgehoben und besprochen, was
man hier in Rechnung zu stellen hat und wie man dem begegnen kann.
Von besonderer Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang die Frage
der Dessinwahl: Vorzugsweise "rund", d.h. mit
regulärer Bandenfolge, da alle Gegeneffet-Abschläge unter
den Bedingungen der Spitzen-Turniere besonders problematisch sind.
Diese wichtige Frage werde ich im ürigen bald auch in einem
Sonderkapitel (Seiten 82 - 84) behandeln.
Im Hauptteil des Buches stellt C. auf ca. 280 farbigen
Tischen die grundlegenden Dessins vor, wobei dankenswerterweise
regelmäßig auch der Lauf von B 2 sowie ggf. die Zonen
möglicher Folgepositionen mit eingezeichnet sind. Auf Kontergefahren
wird – allerdings nicht immer – aufmerksam gemacht,
in diesem Kapitel jedoch ohne zu zeigen, auf welche Weise der Tusch
vermieden werden kann.
Am einfachsten fand ich noch immer die von E. Robin bevorzugte
Art der graphischen Darstellung: Unterbrechung der Lauflinie desjenigen
Balles, der die Konterstelle als zweiter passiert, oder umgekehrt:
Durchgezogene Linie bedeutet freie Fahrt für den vorweg laufenden
Ball.
Weitere Kapitel befassen sich mit den Grundprinzipien der Konter-Vermeidung,
der Spielstrategie, dem Positionsspiel,
Systemen und statistischen Untersuchungen.
Die Darlegungen sind stets gehaltvoll, verläßlich und
– wie nicht anders zu erwarten – oft aus der Sicht des
Top-Spielers gesehen. Vom Umfang her voll zufriedenstellend, aber
auch nicht übermäßig extensiv.
Für das Systemspiel hat sich C. die Mitarbeit
des anerkannten Fachmannes auf diesem Gebiet Frans van Kuyk gesichert,
dem man sich ziemlich blind anvertrauen kann. Die Entscheidung darüber,
ob und welche Systeme – auch im Vergleich mit anderen Veröffentlichungen
– Sie persönlich letztlich verwenden wollen, bleibt Ihnen
dennoch nicht erspart.
Besonders Interessant sind statistische Untersuchungen,
welche (ebenso wie die physikalischen Bezüge) von Jean-Michel
Fray vorgenommen wurden. Zunächst einmal werden alle Aussagen
auf eine verläßlichere Grundlage gestellt, als die üblichen
Generaldurchschnitte (pro Aufnahme) angeben, m.a.W. es werden die
erzielten Punkte ins Verhältnis gesetzt zu den tatsächlich
ausgeführten Stößen, wobei die Beendigung einer
Partie besondere Beachtung erfordert. So hat z. B. ein Spieler mit
0,5 GD durchaus nicht eine Wahrscheinlichkeit von 0,5 um den nächsten
Punkt zu machen sondern nur von 1 zu 3 = 0,33 (1 Punkt, 2 Fehlstöße),
beim Spieler mit 2 GD beträgt sie 0,66.
Es werden in diesem Zusammenhang verschiedene Unter-suchungen angestellt
– jeweils in Abhängigkeit von der Spielstärke –
über die Wahrscheinlichkeit, größere Serien zu stoßen,
die Wahrscheinlichkeit, in mehreren Aufnahmen nach-einander zu punkten,
die Wahrscheinlichkeiten, welche ein Spieler mit vorgegebenem GD
besitzt, Partien zu spielen, die mehr oder weniger deutlich über
bzw. auch unter seinem GD liegen.
Des weiteren – dies allerdings nur aufgrund der Auswertung
von tatsächlichen Partien auf allerhöchstem Niveau (ca.
2 GD) – die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Dessinlösungen
in der Praxis gewählt und wie erfolgreich sie gelöst werden:
A: Reguläre Bandenfolge. B bis D: Gegeneffet an der 3. 2.,
1. Bande. E: Vorbänder. Als circa-Werte kann man (bei 2 GD!)
von folgendem ausgehen, A: 77% Wahl bei 68% Erfolg. B: 5% bei 60%.
C: 9% bei 50%. D: 2% bei 55%. E: 8% bei 62% Erfolg.
Praktische Schlussfolgerungen aus der Statistik besagen zunächst
einmal, dass in jeder Partie eigentlich nur wenige erzielte Punkte
mehr genügen, um das Spiel auf einen wesentlich höheren
Level zu heben, was um so ausgepägter ist, je höher der
GD bereits liegt. Sie sollten also jede Möglichkeit, Ihr Spiel
zu verbessern nutzen und auch um jeden Punkt kämpfen.
Die Prozentzahlen bei den einzelnen Dessinarten zeigen, nach welchen
Lösungen man immer als erstes suchen sollte. Allerdings ist
es eine ganz andere Frage, welche Dessins man, vor allem als schwächerer
Spieler, intensiver üben müsste (oder trauen Sie sich
zum Beispiel, wie oben gezeigt, auch eine Erfolgsquote von 62% bei
Vorbändern – das entspricht ca. 1.7 GD! – oder
von 55% bei Gegeneffetstößen zur 1. Bande zu?).
Die entscheidende Frage: Für wen ist das Buch geeignet?
Im Prinzip für Spieler aller Klassen, wobei insbesondere die
deutlich Fortgeschrittenen (über 0.9 GD) wertvolle Hinweise
bekommen. Ein Problem dürfte für deutsche Spieler allerdings
die französche Sprache sein. Denn während man die Zeichnungen
auch ohne Text gut verstehen kann, ist das bei den speziellen Hinweisen
und Sonderkapiteln natürlich anders. Sie brauchen mittelgute
Französich-Kenntnisse oder einen Bekannten, der Ihnen die Sie
interessierenden Teile übersetzt. Das fängt schon mit
dem Titel an:
Le Billard en expension – frei übersetzt "Billard
im Aufwind" oder meint C. damit: "Ausgedehnte Billard-Darstellung"?
E-mail-Adresse des Autors: fred.caudron@skynet.be
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