Nr. 59 Psychologie – Praktische
Umsetzung (I)
Ich glaube, wir sind sind uns alle einig
darin, dass beim Billard mentale Aspekte zu mehr als 50% für
den Erfolg mit
verantwortlich sind.
Nun gibt es zwar genügend Veröffentlichungen darüber,
was alles passieren kann, was man beachten sollte, welche Einstellungen
anzustreben sind usw. Auf den Tafeln 17, 18, 31 und 46 dieser
Website finden Sie dazu allerhand Bedenkenswertes. Im zweiten
Band meines Handbuchs ist diesem Thema ein sehr umfangreiches,
mehr oder weniger umfassendes Kapitel gewidmet.
Nachdem ich in der letzten Zeit Internet-Schriftwechsel zu solchen
Fragen mit Spielern verschiedenster Spielstärke hatte, ist
mir klar geworden, dass man nicht selten völlig aneinander
vorbei redet, weil der Gesprächspartner ganz falsche Vorstellungen
davon hat, wie man das Problem der Änderung seelischer Inhalte
und Verhaltensweisen überhaupt angehen sollte.
Zur Illustrierung:
Ein Jugendlicher - internationale Nachwuchshoffnung - fragt mich
um Rat, was er gegen seine stark wechselnden Ergebnisse tun könne
(mal 1,5 Durchschnitt, nächste Partie 0,4 - ein Turnier mit
1,0 GD, das nächste mit 0,6 GD).
Er versuche wirklich, alles zu berücksichtigen, was man ihm
geraten habe: Positiv denken, enspannt sein, aber auch voll konzentriert,
nur an den nächsten Punkt denken, keine Angst haben, voll
motiviert sein - etc. etc.
Aber je mehr er sich bemühe, um so schlimmer werde es. Im
weiteren Verlauf des Briefwechsels stellt sich heraus, dass er
den nun wirklich schrecklichen Versuch unternimmt, all das während
der Turnierpartie zu berücksichtigen.
Des weiteren zeigt sich, dass er sich ständig - während
und zwischen den Partien - fruchtlose Fragen stellt: "Warum
passiert das bloß mir? Was ist der Grund für mein Versagen?
Werde ich überhaupt meine Ziele erreichen? Was kann ich nur
tun, um zu verhindern, dass ich beim nächsten Mal wieder
ein schlechtes Ergebnis abliefere? Am liebsten möchte ich
alles aufgeben - aber dafür liebe ich Billard viel zu sehr!"
Auch das ist natürlich der total falsche Weg.
Ich will diese Erlebnisse zum Anlass nehmen, Ihnen eine Reihe
von Thesen vorzutragen, die sie verinnerlichen sollten, und Ihnen
dabei ganz praktisch sagen, was Sie tun können und was Sie
andererseits unbedingt lassen sollten. Dabei setze ich voraus,
dass Sie mit den Einzel-Problemen als solchen (siehe vor allem
mein HdB II) im wesentlichen vertraut sind.
O Das Ideal
Einen Trainer an seiner Seite zu haben, der außerdem auch
noch psychologisch geschult und einfühlsam zu sein hätte.
Oder umgekehrt einen fähigen Psychologen, der sich im Dreiband
gut auskennen müsste. Stehen beide zur Verfügung, sind
Eifersüchteleien und Kompetenz-Streitigkeiten vorprogram-miert.
Aber da beim Karambol-Billard ja bei weitem nicht so viel Geld
zu verdienen ist (wenn das überhaupt bei Ihnen eine Rolle
spielt) wie z.B. beim Snooker, dürfte sich dies Thema erübrigen
– m.a.W. Sie sind auf sich allein angewiesen. Dazu nun einige
Prinzipien, die Sie in aller Ruhe auf sich wirken und anschließend
als erledigt abhaken sollten.
Vorab: Psychologische Vorgehensweisen sind nicht
nur umstritten (auch das was ich Ihnen hier erzähle) son-
dern generell ambivalent, das heißt zweischneidig:
Vielleicht hilft es, vielleicht nicht, möglicherweise schadet
es. Mit diesem Risiko müssen wir leben.
O Umändern mentaler Prozesse
Es dauert lange und muss konsequent eingeübt werden.
Das ist echte Arbeit! Es geht um Zeiträume von mehreren bis
vielen Monaten. Verlieren Sie also nicht die Geduld! Das ist ganz
ähnlich wie bei der Frage, ob und welche Systeme
Sie verwenden wollen:
Mit Schnellschüssen ist da nichts zu machen – und schlimmstenfalls
stellen Sie nach einem halben Jahr fest, dass die ganzen Bemühungen
Ihnen nichts bringen - und Sie im Gegenteil
jetzt Ihre liebe Mühe und Not haben, alles wieder zu vergessen.
O Die Rolle des Unterbewusstseins
Der Stoß als solcher muss, um gut zu gelingen, im
wesentlichen automatisch-reflexartig erfolgen. Wenn
Sie versuchen, hier bewusst und direkt psychisch einzugreifen,
ist das so gut wie immer schädlich. Deshalb muss
alles, was Sie mental versuchen und ändern wollen, ins Training
verlegt und dort "ein-geschliffen" werden.
In der Partie sollen Sie ganz normal spielen,
d. h. nur versuchen, den jeweiligen Punkt zu machen und dabei
möglichst an gar nichts anderes "denken".
Wenn ich selbst wieder einmal Gefahr laufe, dagegen zu versto-ßen,
erinnere ich mich an den Spruch, welchen Shakespeare dem Julius
Caesar in den Mund legte: "Yon Cassius has a lean and
hungry look - He thinks too much!
"
Ausnahmen von dieser Regel
Während einer Turnierpartie sind Lockerungs- und
Atem-Übungen auf keinen Fall verkehrt.
Sie dürfen und sollen sich jedes Mal, wenn
Sie an den Tisch kommen (und ebenso in Verlauf der eigenen Serie)
ganz bewusst fragen: Wie geht der? - Und falls
doch der Teufel einflüstert: "Was ist das mal wieder
für ein Mist", diesen Gedanken sofort beiseite schieben.
Überhaupt nicht auf die Anzeigetafel zu schauen,
ist für Spieler die ständig mit Hoffen und Bangen an
ihren Durchschnitt denken, fast immer ein guter Rat.
Wenn Sie doch versuchen wollen, auch im Ernstfall bei sich selbst
rational-emotional einzugreifen, sollten Sie sich jedenfalls nur
auf einen einzigen Aspekt konzentrieren. Also
zum Beispiel: "Heute werde ich mich bemühen, nicht ein
einziges Mal auszu-flippen (Kreide knallen o.ä)."
Die wichtigste Turnier-Regel aber lautet:
Wenn, was unvermeidlich ist, psychische Probleme wäh-rend
der Partie auftauchen: Stellen Sie sich dem, verschlie-ßen
Sie nicht die Augen davor – Aber:
Gerade jetzt gilt es, sich zu entspannen und trotz allem
"wohl zu fühlen" (s. Tafel 65).
O Die wirklichen Hintergründe
Wenn Sie der Meinnung sind, im mentalen Bereich sei bei Ihnen
manches verbesserungsbedürftig, ist es völlig sinn-los,
in allgemeine Klagen, Selbstvorwürfe, Weinerlichkeit oder
Aggressivität etc. zu verfallen.
Notwenig ist, wie in der Medizin, eine genau Diagnose. Sie müssen
präzise analysieren, wo Ihre tatsächlichen und
nicht Ihre eingebildeten Probleme liegen.
Als erstes müssen Sie herausbekommen, ob Ihre Schwierig-keiten
nur im Turnier oder auch beim Training - letzteres
in Form von Partien mit sympathischen Partnern oder sogar beim
Alleinspiel - auftreten.
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