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Training
Nr. 63 Psychologie – Praktische Umsetzung (V)
O Ständiges Versagen im Turnier
Na ja, das wird ja nicht wirklich immer der Fall sein,
aber wenn Sie bei mehr als der Hälfte der Partien darunter
lei-den, ist's schon schlimm genug.
Die Gründe liegen im tiefenpsychologischen Bereich:
Hemmungen, Angst, Scham, Minderwertigkeitsgefühl und was dergleichen
mehr ist. Man sollte Ihnen also vielleicht vorschlagen, sich auf
die Couch zu legen?
Das muss nicht sein, denn in den meisten Fällen handelt es
sich einfach nur um eine gewisse Veranlagung, vieles im Leben zu
personalisieren und zu problematisieren, mit zu starken Emotionen
zu begleiten. Für die Spitze im Leistungssport ist daher ein
angeborenes dickes Fell sicher von Vorteil – aber ob für
andere, noch wichtigere Dinge im Leben, das ist sehr die Frage.
Mit diesem Gedanken können Sie sich zunächst mal trösten.
Ich will mich hier aber nicht auf den schwankenden Boden der Psychoanalyse
begeben, was ich durchaus tun könnte, sondern Sie mit sportnahen
Ratschlägen versorgen.
1. Verhaltenstherapie
Hört sich toll an, gemeint ist etwas ganz Einfaches:
Spielen Sie so viele Turniere wie nur eben möglich.
Wenn Sie Ihre Arme oft genug in die "Scheiße stecken"
(die machen das wirklich!), wird es Ihnen irgendwann egal sein und
Sie werden frei dafür, sich der Sache selbst zu widmen.
Sie müssen aufhören, ständig der Gefahr auszuweichen.
Je länger die Pausen zwischen den Wettkämpfen, um so mehr
wachsen Ihre Befürchtungen, dass es wieder einmal schief gehen
wird. Daher die Bitte: Nicht nur ersprechen son-dern auch tun. Ein
gewisses Lampenfieber werden Sie wohl nie verlieren, aber das ist
, um mit Wowereit zu sprechen, "gut so".
2. Entpersonalisieren (für echte Problemfälle)
Ihre Ängste und Verspannungen (die so weit führen kön-nen,
dass Sie kaum noch in der Lage sind abzustoßen) beruhen letztlich
darauf, dass Sie das menschliche Umfeld der Turniersituation überstark
empfinden und auf sich selbst beziehen, dazu noch tappen Sie in
sämtliche Fallen, die auf der letzten Tafel besprochen wurden:
Der Gegner wird irgendwie als umheimlich empfunden – Die
Zuschauer, vor allem die eigene und die gegnerische Mannschaft,
sind Leute, vor denen ich mich schämen muss, wenn ich, wie
zu erwarten, wieder einmal versage.
Vor mir selbst und meinen Ansprüchen kann ich schon gar nicht
bestehen usw.
Diese teufliche Verbindung gilt es, radikal zu durchtrennen. Machen
Sie sich endlich klar, dass Sie allen anderen und auch sich selbst
überhaupt nichts schulden. Ihre ganzen Bedenken hinsichtlich
des Zwischenmenschlichen erweisen sich, jedenfalls bei Ihnen, doch
immer nur wieder als Schuss in den Ofen. Also weg damit! Das Einzige,
was Sie interessieren soll: ganz normal und auf das jeweilige Dessin
konzentriert zu spielen. Stellen Sie sich lebhaft vor, Sie befänden
sich in einer Trainingspartie mit einem guten Freud oder noch besser:
Sie üben allein.
Sie sollten sich bemühen, mit folgender Einstellung an das
Turnierspiel heranzugehen:
"Ich absolviere heute eine schöne Trainingspartie,
ohne dass ich gewinnen will oder muss. Ich spiele auf gut gepflegtem
Tisch, wo ich mich um gar nicht weiter kümmern muss. Natürlich
werde ich mir Mühe geben und mein Bestes versuchen, aber das
war's denn auch. Ob ich gewinne oder verliere, ob ich gut oder schlecht
spiele, ist mir egal. Ich werde mich nur, so wie ich das bei ernsthaftem
Training auch täte, intensiv in die jeweils vorliegende Aufgabe
versenken."
Nun könnte man einwenden, dass man sich dann nicht genügend
anstrengen wird, aber glauben Sie mir:
Ihr Adrenalinspiegel wird immer noch viel zu hoch sein. Sie müssen
sozusagen überkorrigieren, um auf Normal-Maß zu kommen.
Zu diesem Thema wäre noch vieles mehr zu sagen aber hier ist
nicht der Platz, um ein Handbuch zu schreiben.
Nebenbei: Nach dem Turnier wird von vielen Beteiligten
nachgekartet, woran es denn gelegen habe usw. usw., wobei dann auch
Sie manchmal einbezogen werden: "Wie war das nur möglich,
dass Du so zusammengebrochen bist .........." Dafür sollten
Sie nur das Lächeln des Weisen übrig haben.
3. Sich ins eigene Spiel versenken
Mit dem Sich-Frei-Machen von persönlichen Emotionen ist es
aber nicht getan. Wenn Sie es erreicht haben, innerlich ruhiger
zu werden, versuchen Sie mehr und mehr, sich auf Ihr Spiel zu konzentrieren
und alles um Sie herum zu vergessen. Wenn Sie Glück haben,
erreichen Sie sogar den Flow (früher nannte man so was: Spielrausch).
O Eine Zwischenbemerkung
Die Besprechung mentaler Prozesse lässt sich nicht gut in wenigen
Stichworten oder in Tabellenform abhandeln. Sie sollen sich in die
Themenbereiche hineinlesen und, mehr noch, sozussagen hineinleben,
wobei ggf. auch noch Miss-verständnisse ausgeräumt werden
müssen. Dafür ist eine ausführlichere Schilderung,
wie sie von mir bevorzugt wird, besser geeignet.
Aber:
Nach dem Lesen sollten Sie zunächst einmal alles, was für
Sie persönlich nicht von Belang ist, "durchstreichen"
und schleunigst wieder vergessen. Den Rest werden Sie mit Ihren
eigenen Erfahrungen vergleichen und abstimmen. Sich dann entscheiden,
was für Sie beherzigenswert ist und wie Sie es verwirklichen
wollen.
Die Ergebnisse müssen dann sozusagen "eingedampft"
und auf prägnante, positive Merkverse reduziert werden, wel-che
Sie bei Bedard vor oder während der Partie abrufen.
Einige Vorschläge:
"Business as usual – Mehr Gelassenheit – Ruhig
atmen – Achung, jetzt könnte der Moment da sein, wo die
Sache zu meinen Gunsten umschlägt – Nur gerade nach vorne
heraus stoßen – Glück und Pech interessieren mich
nicht – Ich habe Angst, na ja was soll's, der Kopf geht doch
nicht ab – Vergiss den Gegner, den Partiestand, deine Hemmungen,
tu einfach so, als befändest du dich in einer Trainingspartie".
Achtung:
All das sollen Sie keineswegs im Partieverlauf ständig im Kopf
haben und darüber nachdenken – es ist nur das Reservoir,
aus dem Sie schöpfen können, wenn Sie merken, dass etwas
schief läuft.
Solche Slogans lassen sich außerdem als emotionaler Rippenstoß
benutzen, wenn Sie wieder an den Tisch dürfen. Hierzu ein paar
weitere Vorschläge: "Na, das sieht doch gar nicht schlecht
aus – Entspann dich! – Der müsste doch irgendwie
zu machen sein" usw.
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